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Kerb Mörfelden: Stellungnahmen Bürgermeister und Kerweverein


Die Kerb hat eine lange Tradition und ist das große Fest in Mörfelden, aber auch eine Tradition muss von Zeit zu Zeit überprüft werden. Wie das Kerwewochenende und der Schriftzug auf der Kerwepuppe gezeigt haben, ist dies nun notwendig geworden. „Gleichzeitig stellt niemand in Frage, dass auch im nächsten Jahr ausgelassen gefeiert wird“, halten Bürgermeister Thomas Winkler und der Vorsitzende des Kerwevereins Denis Leistner gleich zu Beginn einer gemeinsamen Stellungnahme fest. „Hier soll nichts verboten oder zensiert werden, aber wir müssen auf die aktuelle politische Großwetterlage reagieren“.

Auslöser des Ganzen war die Kerwepuppe, die jedes Jahr auf einem Stuhl sitzend am Kerwebaum befestigt ist. In der Vergangenheit trug die Puppe die Namen von einem breiten Querschnitt aus deutscher und internationaler Politik und Prominenz. An jedem Kerwedienstag wird die Puppe verbrannt und markiert das Ende des Festes. „Für die Kerweborsch war es nie ein Akt, mit dem symbolisch ein:e Politiker:in verbrannt wurde. Und bis zuletzt gab es auch keine große öffentliche Kritik an dieser Tradition“, sagt Vereinsvorsitzender Denis Leistner.

In diesem Jahr prangte jedoch auf der Puppe der Schriftzug „Bündnis90/Die Grünen“ und es wurde schnell klar, wie sehr sich die Stimmung verändert und aufgeheizt hat. Im Nachhinein kursierte im Internet ein Video vom Aufstellen des Kerwebaums und es ist der Ausruf „Sollen sie hängen, die Penner“ zu hören. Gemeint waren hier offenkundig Politiker:innen von Bündnis 90/Die Grünen. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz in dieser Sache.

„Der Zwischenruf ist menschenverachtend“, machen Bürgermeister und Vereinsvorsitzender deutlich. „Der Ausruf kam von keinem Kerweborsch und auch von keinem Vereinsmitglied. Wenn sich das doch noch herausstellen sollte, ziehen wir sofort Konsequenzen“, ergänzt Denis Leistner. In der Vergangenheit handelte der Verein bereits entschlossen und kündigte eine entsprechende Mitgliedschaft. „Wir wollen keine Rechtsextremen in unserem Verein. Bei der Kerweparty haben wir die DJs angewiesen, dass keine Partyhits gespielt werden, zu denen in letzter Zeit ausländerfeindliche Parolen gegrölt wurden. Nazis und Rechtsextremismus haben bei uns keinen Platz!“, sagt Denis Leistner weiter.

Über das Wochenende wurde immer mehr Kritik an der diesjährigen Kerwepuppe geäußert. „Mich haben viele Menschen angesprochen, die sich angegriffen und unterschwellig bedroht gefühlt haben. Ich kann diese Empörung gut verstehen und nachvollziehen“, sagt Bürgermeister Thomas Winkler. Insbesondere in den sozialen Medien wurde polemisch, unsachlich und verletzend diskutiert. Und das aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Die Stimmung in Deutschland ist extrem angespannt und das erlebt man hautnah in Mörfelden-Walldorf.

Nachdem der Magistrat sich in seiner regulären Sitzung am Kerwemontag gegen das Aufhängen und öffentliche Verbrennen der Kerwepuppe mit einem Namenszug ausgesprochen hatte, übersprühte Bürgermeister Winkler die Beschriftung. „Ich wollte und musste hier schnell handeln“. Daraufhin wurde der Vorwurf der Zensur erhoben und Verständnis geäußert, wenn demnächst Wahlplakate zerstört werden. Gleichzeitig wurde der Kerweverein als Nazi-Organisation beschimpft, die sich aufzulösen habe. Außerdem wurden Bilder der Kerweborsch im Internet verbreitet und kommentiert „Hier die Gesichter dazu …“.

„Die Kerweborsch haben nicht zu Gewalt und Hetze aufgerufen“, stellt der Vereinsvorsitzende klar. Was auf der Kerwepuppe steht, legen die aktiven Kerweborsch fest und hier hat man die Tragweite nicht erkannt. „Heute sind wir schlauer und würden es sicher anders machen“, so Denis Leistner. Bürgermeister Winkler ist froh, dass man sich hierüber einig ist. „Ich habe den Verein nie als rechtsextrem wahrgenommen und eingeschätzt. Aber die Aktion mit der Puppe kann von anderen schnell so verstanden werden“. Denn man muss die Kerb im großen Kontext sehen. Die politische Situation hat sich über die letzten Jahre deutlich verändert und das Klima ist nicht nur rauer, sondern viel gefährlicher geworden. „Angriffe auf Politiker:innen haben stark zugenommen. Die letzten Landtagswahlen haben gezeigt, dass nicht mehr davor zurückgeschreckt wird, Politiker:innen auf offener Straße krankenhausreif zu schlagen“, sagt Thomas Winkler. In Mörfelden-Walldorf wurden in der Vergangenheit bereits Autoreifen zerstochen und ein totes Tier vor eine Haustür gelegt.

„In Zukunft werden wir die Kerwepuppe als einfache Strohpuppe verbrennen. Alles andere passt nicht mehr. Aber natürlich reagieren wir mit der Puppe weiterhin auf das Zeitgeschehen und geben ihr einen Namen“, kündigt Denis Leistner an. Diesmal wurde die Puppe mit einer Scherpe und einer Batschkapp der Kerweborsch verbrannt. „Die Puppe ist das Maskottchen und kein Zeichen von Hetze und Hass“, so der Vorsitzende weiter.

„Uns ist wichtig, dass Stadt, Politik und Kerweborsch keine Gegner sind. Wenn sich die Aufregung gelegt hat, sollten wir uns in einer größeren Runde an einen Tisch setzen“, sagen Bürgermeister Winkler und Denis Leistner. „Unsere Demokratie wird immer stärker angegriffen. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen und für eine offene und vielfältige Stadtgesellschaft eintreten.“