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Kundgebung "Nie wieder ist Jetzt"
Nie wieder ist jetzt! Unter dieser Überschrift hatten wir am 15. März zur Kundgebung für Demokratie und gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Viele Vereine und Organisationen haben uns unterstützt und den Aufruf geteilt. Mehr als 600 Menschen kamen auf den Rathausplatz in Walldorf.
Da wir immer wieder darauf angesprochen wurden, haben wir jetzt auf der städtischen Homepage - www.moerfelden-walldorf.de - die Redebeiträge online gestellt. Den Link findet ihr in unserer Bio.
Noch einmal vielen, vielen Dank an alle vor, hinter und auf der Bühne. Das war ein tolles Zeichen!
Thomas Winkler - Bürgermeister
Toll, daß so viele gekommen sind und daß der Aufruf zur Kundgebung von fast 50 Organisationen aus Mörfelden-Walldorf unterstützt wird. Dank an alle, die bei der Vorbereitung geholfen habe und an alle, die auf der Bühne stehen. Ganz besonders freue ich mich, dass Floor Vermeulen - Bürgermeister aus unserer niederländischen Partnerstadt Wageningen – und unsere beiden Freunde Tjitske und Marlou extra für die Kundgebung heute angereist sind. Vielen Dank!
Wir sind heute Abend hier, weil Rechtsextreme in den letzten Jahren immer stärker werden. Das sieht man an den Umfragewerten und daran, dass sie uns vorgeben, über was und wie wir diskutieren. Dies ist eine Gefahr. Millionen Menschen in Deutschland erkennen das inzwischen, sie sind aufgewacht und demonstrieren gegen dieses Gedankengut – so auch heute. Rechtsextremismus und menschenverachtendes Denken dürfen bei uns keinen Platz haben.
Die AfD hat eigentlich nur die Themen Migration und Flüchtlinge und will uns glauben machen, dass Menschen aus anderen Ländern eine große Bedrohung sind und Deutschland am Abgrund steht. Die Recherche von Correctiv hat aufgedeckt, dass Rechtsextreme auch Deutsche „remigrieren“ möchten, wenn sie nicht ins Weltbild passen. Remigration ist dabei nur ein verklausulierter Begriff für etwas, das man mal Deportation genannt hat.
Ich will gar nicht so tun, als sei die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten einfach. Das erleben wir auch in Mörfelden-Walldorf. Aber das ist nicht wirklich das größte Problem! Was ist mit dem Klimawandel, wie gehen wir mit sozial Schwachen um, wie steht es um bezahlbaren Wohnraum, wie steht es um unsere Wirtschaft, das Bildungssystem, das Gesundheitssystem und um Fachkräfte? Und was ist mit der immer größeren Schere zwischen Arm und Reich? In Deutschland waren 2022 mehr als 12 Millionen Menschen armutsgefährdet. Ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. 18 Prozent der Senioren sind heute von Armut bedroht. Das sind die Fragen, um die wir uns kümmern sollten, statt Mauern zu bauen – Mauern in den Köpfen wie auch an den Grenzen.
Armut schürt Existenzängste und macht empfänglich für Hass. Und es ist klar, dass wir Armut nicht bekämpfen, indem wir die Grenzen dicht machen. Auch der Klimawandel macht nicht an einer Grenzkontrolle halt. Rassismus und Nationalismus sind nicht die Lösung, sondern eine ernste Bedrohung.
Wir müssen für demokratische Werte und eine offene Gesellschaft einstehen. Rechtsextremisten müssen eine klare Kante gezeigt bekommen. Wir lassen uns nicht aufhetzen und gegeneinander ausspielen. Deshalb sind wir heute Abend hier und es wichtig, dass wir weitermachen und Nazis keine Chance lassen.
Floor Vermeulen - Bürgermeister unserer niederländischen Partnerstadt Wageningen
Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mörfelden-Waldorf,
Sehr geehrter Kollege, Bürgermeister Thomas Winkler,
Liebe Freunden unserer Stadt Wageningen,
Mein Name ist Floor Vermeulen, ich bin der Bürgermeister der Stadt Wageningen, die Stadt der Freiheit und seit mehr als 30 Jahren Partnerstadt Mörfelden-Walldorfs. Jedes Jahr am 4. Mai gedenken wir zusammen mit tausenden Bürgerinnen und Bürger in Wageningen der Opfer des Zweiten Weltkrieges, der Opfer des Faschismus. Bereits seit Jahrzehnten gemeinsam mit einer Delegation Ihrer Stadt.
Am 4. Mai sagen wir: Nooit meer. Nie wieder.
Und trotzdem ist es jetzt wieder notwendig gemeinsam laut zu werden. Jahrzehnten lang waren Freiheit und Demokratie für uns alle normal. Doch heute sehen wir leider, dass dieses Fundament unserer Gesellschaft zunehmend unter Druck steht. Auch in den Niederlanden. Was wir heute machen - laut und deutlich unsere Stimme zu erheben, in ganz Deutschland - ist der Schrecken aller Extremisten. Sie ziehen es vor, dass wir es im Stillen ertragen, damit sie uns langsam zum Schweigen bringen können. Denn ihre Rezeptur hat sich nie geändert: Sie wollen normalisieren was nicht normal ist, sie wollen, dass wir glauben, dass es so schnell doch nicht passiert, uns mit billigen Lösungen Brain washen. Menschen diskriminieren und ausschließen. Einförmigkeit fordern. Unseren Rechtstaat und Demokratie zur Grunde richten. Und damit unsere Freiheit.
Dieses Rezept für Hass und Rechtsextremismus ist in Deutschland das gleiche wie in den Niederlanden und in ganz Europa. Wir können uns nur laut und deutlich dagegen aussprechen. Jetzt und immer wieder. Wenn wir am 4. Mai gemeinsam in den Niederlanden sagen: nie wieder; sagen wir heute zusammen hier in Deutschland: nie wieder ist jetzt. Gegen Hass und Extremismus müssen wir Liebe, Freiheit, Vielfältigkeit, Demokratie und Recht stellen.
Liebe Freunde der Freiheit, reiheit ist niemals eine Selbstverständlichkeit. Geschichte kann sich wiederholen. Freiheit muss geschätzt werden. Unsere Freiheit - die wir so lieben - ist nie selbstverständlich. Die Geschichte kann sich wiederholen. Freiheit muss man hegen und pflegen.
Nie wieder ist jetzt. Gemeinsam sagen wir Heute und jeden Tag in der Zukunft: Ja zur Demokratie und Freiheit!
Franz Urhahn - Stadtverordnetenvorsteher
Danke an Sie und Euch alle, die Ihr heute hier vor das Walldorfer Rathaus gekommen seid, um in der beeindruckenden Reihe von Kundgebungen gegen den Rechtsruck in unserem Land einen weiteres Ausrufezeichen zu setzen gegen die Vertreibungspläne der AfD zu protestieren.
Mörfelden-Walldorf ist und war immer schon ein guter und sicherer Ort für die Flüchtlinge und Vertriebenen dieser Welt – ja mehr noch: ohne das stünden viele von Euch nicht hier, denn wenn der absolutistische Feudalherr Ludwig XIV seine Ausweisungspläne nicht wahr gemacht hätte würde es Walldorf gar nicht geben. Wenn man so will, war der sogenannte Sonnenkönig ein früher Vorläufer der AfD – wie so viele andere, die ihre Gier, ihre psychologische Deformation und ihre absolut gesetzten Ideologien damit stillen wollten, dass sie Menschen auseinander brachten, sie gegeneinander aufbrachten und ihre übelsten Seiten als gut und richtig darstellten.
Wir überlassen aber nicht diesen Ich-Süchtigen, vernagelten Gierhälsen die Buntheit und Schönheit unseres vielfältigen Zusammenlebens, wir freuen uns über kulturelle Vielfalt und werden nicht mehr zu Fanfaren in gleichem Schritt und Tritt aufmarschieren, um dann Arme hoch zu reißen und „Sieg Heil“ zu brüllen.
Auf Dauer ist nämlich der Tod der unausweichliche Begleiter dieser Männer und Frauen, die uns weißmachen wollen, dass es bessere und schlechtere menschliche Wesen gibt, die sie in Rassen oder Nationen einteilen, die je nach Sichtweise den anderen überlegen seien.
Schluss mit jeder Form dieser Überheblichkeit und Abgrenzung, die im Kleinen beginnt und in der Katastrophe endet.
Nein! Das sind keine Erzählungen von einem anderen Planeten, kein Roman und keine Spinnereien. Dieses Land hat alleine in den letzten 150 Jahren in schöner Regelmäßigkeit bewiesen – genau dreimal -, dass Menschen sich über andere erhöhen und dann den größten Massenmord der Weltgeschichte verübt.
Die, die das taten kamen aus der vielbeschworenen Mitte der Gesellschaft, sie waren promovierte Juristen, hochdekorierte Militärs, Universitätsprofessoren der besten medizinischen Kliniken und auch unsere oft gelobten Vereine und Verbände ließen sich gleichschalten und marschierten mit. Das ist die große Gefahr: Mitlaufen und Mitmarschieren ohne Einhalt zu gebieten, das macht es den ManipulatorInnen so einfach.
Es sind also zunächst mal keine Alliens und Monster aus dem Erdinneren oder von einem fremden Planeten, sondern Menschen wie Du und ich.
Was will ich sagen: Wir wissen es, wir müssen es wissen und wir stehen staunend und manchmal mit offenem Mund und hören zu, wie ein ehemaliger Leiter der Hessischen Staatskanzlei und späterer Vorsitzender dieser rechtsradikalen Vereinigung AfD vom Vogelschiss in der deutschen Geschichte faseln kann und darf, ohne dass er mit Schimpf und Schande aus dem Bundestag geworfen wird.
1941 – als die Nazis und die meisten Deutschen sich für unbesiegbar hielten und das Hakenkreuz auf riesigen Teilen Europas lastete und der Faschismus in Spanien, Portugal, Italien, dem Balkan große Zustimmung erfuhr schrieb Berthold Brecht im finnischen Exil das Theaterstück „ Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, eine Parabel auf den Erfolg der Nazis und Adolf Hiltlers bis zur Annexion Österreichs und zeigte damit seine ungeheuerlich prophetische Kraft. Das Stück wurde zwar erst 1958 in Deutschland uraufgeführt aber am Ende jeder Vorstellung stehen auf dem Vorhang die Sätze:
„Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt' einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert –
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."Sätze die 80 Jahre alt sind und hier und jetzt ganz genau auf uns zeigen. Lasst uns nicht Stehen und Stieren, lasst uns Handeln und verhindern, dass es nochmal Vogelscheisse vom Himmel regnet und Millionen Menschen sterben. Lasst uns für die da sein, die die Flucht überlebt haben, lasst uns die betrauern, die im Mittelmeer ersoffen sind. Denkt an das Bild des kleinen syrischen Jungen, der am Strand von Griechenland liegt, als ob er schläft – aaberer ist tot und hatte kein langes Leben, eigentlich hatte er gar keins und dann lasst uns gemeinsam an einer Welt bauen, die solche Dinge verhindert.
Wir in Mörfelden-Walldorf wollen das tun.
Ich danke Euch, dass Ihr hier seid!
Alice Blum
Vielen Dank für die Einladung hier sprechen zu dürfen. Ich habe selten so lange nach Worten gesucht, wie für diese Rede, habe den Beitrag gefühlte 375 mal umgeschrieben. Es hat mich ehrlich gesagt heillos überfordert Worte zu finden, die ausreichend einordnen, sensibel genug sind, mahnend aber auch versöhnlich. Angesichts der herausfordenden Zeiten und der hitzigen Diskurse erscheint es mir kaum möglich es richtig zu machen. Deshalb wird meine Rede ein kleiner Rundumschlag und ich hoffe, dass sie nicht zu sehr nach einer Schelte klingt, sondern motivierend wirkt und zu Engagement führt. Ein Engagement, welches Sie vielleicht schon lange betreiben oder gerade für sich entdeckt haben. Ein aktives Einsetzen für unsere vielfältige Gesellschaft, für Toleranz, für Demokratie, für ein Miteinander für ein „Nie wieder!, gegen Rassimus, gegen Queerfeindlichkeit, gegen Sexismus, schlicht gegen Menschenfeindlichkeit und für eine Welt, in der ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist.
Unsere Gesellschaft zeigt sich mehr und mehr gespalten. Zwischen den verschiedenen Lagern liegt ein tiefer Graben - gehasst und gehetzt wird in jede Richtung - auf- und abwärts. Die Risse verzweigen sich, sie führen kreuz und quer durch die Bundesrepublik, Europa und der Welt, aber auch tief hinein in Familien und Freundschaften. Ich kenne niemanden der oder die sich in den vergangenen Jahren nicht von einem geliebten Menschen oder Freund trennen musste, weil die vertretenen Positionen nicht mehr verhandelbar waren.
Daher bin ich einerseits unbedingt erfreut über die Proteste gegen Rechtsextremismus und Hetze, die seit Wochen nicht abebben, dass Menschen auf die Straße gehen, die sich zuvor nie politisch engagiert haben, die nun ein Zeichen setzen möchten für Demokratie und Menschenrechte.
Andererseits überrascht es mich doch, dass dies erst nach dem Bekanntwerden dieses kuriosen Treffens von Rechtsextremist*innen in Potsdam geschieht. Ein Treffen, bei dem sich über Ideen verständigt wurde, die bereits lange zuvor öffentlich nachlesbar waren, die schon lange Eingang in Parlamentsdebatten gefunden hatten. Ideen, die bei der Mehrheitsgesellschaft und auch den bürgerlichen Parteien auf fruchtbaren Boden stoßen. Denn diese fordern schon länger selbst eine große Abschiebeoffensive, adaptieren rechtspopulistische Begriffe der illegalen Migration und nutzen diese für die eigene Profilierung und die Wähler*Innengunst.
Die tatsächlich meinen, es ließe sich eine zeitgemäße Politik machen, indem man suggeriert Migration sei das größte Problem in unserem Land und sich populistischer Argumentationen bedient, anstatt noch sauber und trennscharf zu argumentieren, nur um ein paar Wähler:innen, die sich auf den rechten Weg begeben haben, doch noch für sich zu gewinnen, bzw. an die eh schon vorhandenen Ressentiments in der bürgerlichen Gesellschaft anzuschließen. Ein Trugschluss, wie es Thomas Osten-Sacken formulierte: „Einzig jene, die versprechen, wirklich ernst zu machen, wenn sie denn nur an die Macht kämen, werden davon gestärkt – bis auch sie an der Realität scheitern und am Ende abgelöst werden von anderen, die noch mehr Härte versprechen“. Alle Versuche einfache Antworten auf komplexe Fragen zu finden, können nur ins Leere führen.
Aber noch einmal einen Schritt zurück: Was meine ich mit bürgerlichen Ressentiments? Damit meine ich die bittere Wahrheit, dass menschenfeindliche Einstellungen, Antisemitismus und Rassismus mitnichten rechtsextreme Phantasmen sind, sondern tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Sie eine Kontinuität besitzen, die nur ihre Artikulationsform verändert, aber beständiger Grundsound der gesellschaftlichen Positionierung sind. Dazu ein paar Zahlen:
Laut einer repräsentativen Studie des Rassismus-Monitors des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) vom Mai 2022 sind rassistische Einstellungen weit verbreitet: Fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) glaubt noch an die Existenz menschlicher "Rassen". Ein Drittel der Bevölkerung (33 Prozent) findet, dass einige Völker oder ethnische Gruppen "von Natur aus fleißiger" seien als andere.
In der aktuellen Mittestudie, die regelmäßig menschenfeindliche Einstellungen in Deutschland, untersucht kamen die Autor:innen nicht nur zu dem Ergebnis, dass Rassismus und Antisemitismus permanent vorhanden sind, sondern steigen. Ungefähr jeder vierte Befragte stimmt den folgenden Aussagen zu: »Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet« (22 % »teils/ teils«); »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen« (30 % »teils/teils«); und »Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.« (19 % »teils/ teils«)Und wenn wir mal ganz tief in uns reinhören und ehrlich sind, dann ist hier niemand von uns frei von den kleinen und größeren Vorurteilen. Den eigenen Rassismen, den Ideen, dass man doch selbst mehr verdient hätte als jemand anders, den Sorgen und auch den Nöten denen man sich gegenübergestellt sieht und dann die einfache Antwort auf komplexe Fragen findet. Die Schuld irgendwo in der Ferne, im nahen Osten, in Amerika oder in irgendwelchen Hinterzimmern zu suchen. Die kuriose Hoffnung darauf, dass sei nur dieses oder jenes Übel abgeschafft, das eigene Leben besser werden würde.
Diese Affekte sind es, die Rechtsextremist:innen für sich nutzen. Eine Strategie, die sie gebrauchen, um an den Ängsten und Sorgen der Menschen anzuknüpfen und ihnen Heilsversprechen zu machen. Die Menschen glauben zu lassen, dass nur ausreichend Härte dazu führen würde, das Eigene zum Besseren werden zu lassen. Damit haben die Rechten sukzessive den Salon erobert, den Diskurs still und leise nach rechts verschoben. Die Inhalte, die da in Potsdam verhandelt wurden, sind nicht neu. Sie wurden lange vorbereitet.
Die Neue Rechte hat sich camoufliert, also getarnt, in den sogenannten „metapolitischen Vorraum“ eingenistet. Eine Idee, bei der es darum geht den politischen Kampf nicht in den Parlamenten oder gar gewalttätig auf der Straße zu suchen, sondern in den Zirkeln der Bürgerlichkeit, in den Vereinen, den Elternbeiräten, im Alltag der Menschen und heute insbesondere in den Sozialen Medien. Das ist nicht neu. Das ist nicht Potsdam 2023. Das sind die Erkenntnis der Rechtsextremist:innen, dass die alte Rechte nicht mehr taugt, dass sie sich lösen müssen vom Uniformfetisch und ihrem Hitlerismus, der zu sehr verbrannt war. Das waren die sich wandelnden Strukturen, wie die NPD, die DVU, die Republikaner hin zur AfD, das war der Wandel von dem Loslösen der Hitlerfanatiker:innen über Kühnen hin zu Petry, Sellner, Höcke, Kubitschek und Weidel.
Der Hass gegenüber anderen ist nicht neu. Er ist nicht überraschend. Er wurde über Jahrhunderte geformt. Über Ideologie. Über Kolonialismus, über Faschismus. Über die scheinbar banalen Denkweisen des Wir und der Anderen und dem nicht Ertragen einer kognitiven Dissonanz, die sich darüber auflösen lässt die Anderen zu entmenschlichen.
Ich wundere mich immer wieder über die Vergleiche zur Tierwelt:
Diese und jene hätten gehandelt wie die Tiere, seien Heuschrecken, benähmen sich wie Affen, seien eine Plage, wie die Ratten. Kein Tier handelt so vernichtend und perfide wie der Mensch. Dieser Hang zur Vernichtung und Zerstörung ist durch und durch menschlich. Aber ich glaube es gibt Hoffnung. Und Vernunft. Ich möchte mich hier explizit nicht auf Kant beziehen, auch er war ein fürchterlicher Rassist.Ich möchte appellieren an ihr Herz und ihren Geist. Mir sind die Herausforderungen der aktuellen Zeit für jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft bewusst. Gestiegene psychische Belastungen, durch die Pandemie, Kriege, explodierende Kosten, gesellschaftliche Veränderungen, die uns alle betreffen und überfordern. Eine wachsende Unzufriedenheit und die verzweifelte Suche danach irgendwo für sich noch ein bisschen Glück zu finden.
Ich würde mir wünschen, dass Sie sich irgendwann zwischen all dem Chaos kurz besinnen und nicht wie so viele gerade den Fehlschluss ziehen Menschenrechte und die Demokratie in Frage stellen, sondern ihr Herz öffnen und sich einsetzen für eine bessere Gesellschaft ein solidarisches Miteinander. Und offensichtlich haben Sie das schon, sonst stünden Sie nicht hier und hätten sich die Zeit für diese Kundgebung genommen. Ich wünsche mir, dass Sie das nicht nur hier tun, sondern auch bei Ihnen zu Hause. In der Familie. In ihrem Freundeskreis. In Ihrer Kommune. In Ihrer Stadt. In Ihrem Bundesland. In Ihrer Demokratie. Schützen Sie diese. Bitte. Im Kleinen – wie im Großen.
Nie wieder ist jetzt, wie der Slogan dieser Kundgebung heißt – bedeutet bedingungslos die Verantwortung zu übernehmen, um jüdisches Leben in Deutschland und ´überall zu schützen. Ohne Wenn und Aber.Verantwortung zu übernehmen heißt gleichzeitig auch gegen jede Form von Rassismus aufzubegehren und auch nicht mehr zuzulassen, dass andere menschenfeindliche Einstellungen hingenommen werden.
Nicht mehr - heißt – Position zu beziehen. Den komischen Witz, der irgendwie unangenehm ist, den der Kollege aber ganz bestimmt nicht ernst gemeint hat, nicht mehr wegzulächeln, sondern dem zu widersprechen.
Nicht mehr heißt auch, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es für viele Menschen gefährlich ist durch den eigenen Alltag zu navigieren, weil sie migrantisch oder queer gelesen werden und diese Menschen jederzeit mit Übergriffen rechnen müssen. Und wir solche Verhältnisse nicht länger normalisieren dürfen.
Nicht mehr heißt für mich sich nicht zu beteiligen an Hass und Hetze nicht in den Graben zu steigen, den Rechtsextremist:innen vorbereitet haben.
Nicht mehr heißt auch: Klar Position zu beziehen und dennoch die Hand zu reichen, um ein Zurück zu ermöglichen.
Und dies sind meine versöhnlichsten Worte. Reichen Sie bitte denjenigen die Hände, die verunsichert sind, laden Sie sie zu Gespräch ein, glauben Sie daran, dass Diskurs und Auseinandersetzung auf ehrlicher Basis hilfreich ist. Aber – darin gibt es Grenzen. Mit Ideologen lässt sich nicht diskutieren. Geben Sie dem keinen Raum. Nie wieder und nicht mehr.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal daran erinnern, dass Rechtsextremismus nicht nur Hetze ist. Rechtsextremismus ist tödlich. Seit 1990 wurden mehr als 200 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von Rechtsextremist:innen ermordet. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
Das waren Menschen, die mitten im Leben standen. Sie wurden von getötet, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer politischen Ausrichtung, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder auch weil sie hilflos als Wohnsitzlose auf der Straße lebten, und nicht in die Ideologie der Rechtsextremist:innen gepasst haben.
Danke, dass Sie mir zugehört haben.